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AutorenbildLiebeimHerzen

Warum ich Alexander beim Bestatter besuchte

Nach dem Verlust meines Sohnes fühlte sich alles wie im Traum an. Ich war der festen Überzeugung, dass mein Sohn bald wiederkommen würde. Ich stand völlig unter Schock. Dieses Vermissen… Dieser Schmerz. Ich vermisste meinen Sohn so unendlich. Ich wollte ihn sehen. So oft es ging. Viele Menschen in meiner Umgebung haben mir davon abgeraten, da sie der Meinung waren, dass er sich bestimmt schon verändert hat. Sie hatten Angst, dass es mich traumatisieren könnte. Doch ich war der Meinung, dass es egal ist, wie er aussieht; denn er ist mein Sohn - mein Fleisch und Blut und ich möchte ihn sehen.

Die Bestattung in unserer Stadt war wirklich sehr bemüht und sie ermöglichten es mir, meinen Sohn bis zur offiziellen Verabschiedung regelmäßig zu besuchen. Ich freute mich so unendlich darauf, ihn zu sehen und hatte gleichzeitig so große Angst.

Wie würde mein Sohn wohl aussehen?

Hatte er sich schon recht verändert?

Ich betrat den Raum, in dem er aufgebahrt war. Eine kleine LED Kerze brannte. Es herrschte eine ganz spezielle Ruhe und Frieden. Zitternd näherte ich mich dem kleinen Sarg und brach in Tränen aus. Es war wirklich real, dass mein Sohn tot ist. Bis dahin hatte ich es nicht realisiert. Ich streichelte sein kaltes Gesicht. Mein Sohn. Wie schön er aussah. So friedlich und liebevoll. So als würde er schlafen. Er sah aus wie eine Puppe. Ich begann mit ihm zu reden. Erzählte ihm alles, was in mir vorging. Und gab ihm unendlich viel Küsse.

Ich vereinbarte, dass ich bis zur offiziellen Verabschiedung wiederkommen durfte. Da die Freigabe von seinem Körper sehr lange dauerte, fand die Verabschiedung erst 14 Tage später statt. Die Besuche bei meinem Sohn taten mir wirklich gut. So realisierte ich nach und nach, was da tatsächlich passiert war. Ich nahm ihm jedes Mal ein kleines Geschenk mit.

Der Abschied fiel mir so schwer. Weshalb ich vereinbarte, wieder kommen zu dürfen.

Am Tag der offiziellen Verabschiedung am offenen Sarg kamen meine Freunde und meine Familie. Mit Briefen, Geschenken und Blumen für ihn. Er sah so wunderschön aus. Es war so unendlich traurig, einfach nichts mehr tun zu können. Am Schluss gingen alle raus. Und ich durfte bei ihm bleiben. Ich las ihm seine Lieblingsgeschichte vor und „brachte ihn ein letztes Mal… für immer ins Bett.

Ich durfte ihm eine Haarsträhne abschneiden, die ich in einem Behälter wie einen Schatz aufbewahre …. Und machten Handabdrücke, die ich mir sehr oft anschaue, um zu schauen, wie groß seine Hände zum Todeszeitpunkt waren. Es sind die letzten Erinnerungen an ihn und sind für mich die größten Schätze in meinem Leben.

Im Nachhinein waren dies alles Dinge, die wesentlich dazu beigetragen haben, mich in Ruhe bei meinem Sohn zu verabschieden und bis zu einem gewissen Grad zu realisieren, was da Schlimmes passiert ist. Und zu begreifen, dass mein Sohn nie wieder kommen wird. Obwohl mir von meinem Umfeld dringend davon abgeraten wurde, ihn beim Bestatter zu besuchen, bin ich so froh, dass ich auf mein Bauchgefühl gehört und diese Chance genutzt habe.




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